Schwabing vom Mittelalter zur Neuzeit

Der Ort Schwabing wird im Jahr 782 als Suuapinga erstmals erwähnt. Der Name bedeutet ursprünglich ‘bei *Swapo und seinen Leuten’. Hier lebte wohl im 6. Jahrhundert am Schwabinger Bach, einem ursprünglich natürlichen Seitenarm der Isar, ein Mann, der Nachbarn Schwab (Schwabe) genannt wurde, mit seiner Familie.

Schwabing bestand im frühen Mittelalter nur aus wenigen verstreuten Höfen. Um 800 wurde an der Stelle, wo heute St. Sylvester steht, eine kleine Holzkirche errichtet. Vom 9. bis 14. Jahrhundert finden wir in Urkunden Herren, die sich „von Schwabing“ nennen. Deren Sitz lag nördlich der Haimhauser- und östlich der Occamstraße. Zwei von ihnen brachten es zum Kämmerer, einer sogar zum Bischof von Freising.

Um 1500 gab es im Ort zwei ganze Höfe, zwei Halbhöfe und 23 Sölden. Die Söldner, die nicht von der Landwirtschaft leben konnten, arbeiteten in verschiedenen Gewerben. Es war je ein Fischer, Bader und Schneider, dann auch Zimmermann, Leinweber und Schäfer. 1708 gab es weiter je einen Schmied, Schäffler, Kistler (Schreiner) sowie zwei Schuster und vier Schneider. Ab 1790 sind auch Maurer, Schlosser, Bäcker, Metzger und Krämer ansässig. Sicher waren diese Handwerker auch für Münchner tätig.

Wie zwei Kupferradierungen von Wilhelm von Kobell, dessen Anwesen an der Schwabinger Landstraße, nahe der heutigen Martiusstraße lag, aus dem Jahre 1818 zeigen, waren zwischen Schwabing und München ursprünglich Wiesen. Eine charakteristische Gestalt im Straßenbild Münchens war das „Schwabinger Millemadl“.

Aufstieg zur Stadt und Eingemeindung

Die Industrialisierung, der Zuzug nach München und die seit der Mitte des 19.Jahrhunderts benachbarten Hochschulen bescherten auch Schwabing einen steigenden Einwohnerzuwachs. Waren 1855 noch 1.667 Menschen hier gemeldet, so waren es 1880 bereits 7.260 und 1885 schließlich 8.744. Der Ort wurde so bedeutend, dass die Regierung ihn am 1.1.1887 zur „mittelbaren Stadt“ erhob. Man schuf auch ein Stadtwappen mit 12 Goldähren auf azurblauem Grund.

1864 hatten die Schwabinger eine Eingemeindung nach München noch mehrheitlich abgelehnt. Dies änderte sich aber, als die Schulden zunahmen. Auch Probleme wie Wasserversorgung oder Verkehr waren in größerem Rahmen besser zu bewältigen. Der letzte Schwabinger Bürgermeister (1883-1890), der Baumeister Alois Ansprenger (1853-1913), betrieb die Vereinigung mit der Hauptstadt. Er stieg dort dann zum Magistratsrat auf und war auch als Baumeister für die Stadt München tätig. Am Tag der Eingemeindung, dem 20. November 1890, hatte die Stadt Schwabing bei einer Fläche von 1.195 ha bereits 11.589 Einwohner.

Mit der Einverleibung Schwabings nach München wurden auch die Grenzen geändert. Bis 1890 verlief hier der Burgfrieden der Stadt etwa auf der Höhe Nikolaiplatz – Hohenzollernstraße – Elisabethstraße. An der Ecke Schwabinger Landstraße/ Hohenzollernstraße stand ein Schlagbaum, an den die nach München einfahrenden Fuhrwerke Pflasterzoll zu entrichten hatten. Dann wurde das Zollhäuschen am neuen Stadtrand errichtet und der XXII. Stadtbezirk (mit dem neu eingemeindeten Schwabing) über damals noch großenteils unbebaute Flächen der nördlichen Maxvorstadt nach Süden bis zur Georgenstraße ausgeweitet.

1900 waren im XXII. Stadtbezirk (Schwabing) schon 28.154 Einwohner gemeldet, die in 7.002 Familien und 1.276 Anwesen lebten. 1909 wurde, da aufgrund der großen Bautätigkeit die Bevölkerung weiter stark anwuchs, aus dem westlichen Teil der XXVI. Stadtbezirk (Schwabing-West) geschaffen. Das Gebiet zwischen Hohenzollern- und Georgenstraße gehört aber bis heute zur „Gemarkung Maxvorstadt“, das östlich anschließende zur „Gemarkung Schönfeldvorstadt“, denn die Gemarkungsgrenzen in den Grundbüchern wurden bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts festgelegt. 1996 fand eine Neueinteilung der Stadtbezirke statt, die kleinere Grenzkorrekturen brachte und die Mitte der Georgenstraße zur Südgrenze Schwabings machte.

Stadtplanung und Bautätigkeit

Im Rahmen der Münchener Stadterweiterung wurde bereits vor der Eingemeindung 1890 unter der Leitung des Stadtbaumeister Arnold Zenetti für ganz Schwabing Baulinienpläne erstellt. Nach dem damaligen Geschmack war vorgesehen, über das Gelände ein Straßenmuster aus geometrischen Plätzen, Rondellen und rechtwinkligen Kreuzungen zu legen und die so gewonnenen Bauplätze mit Wohnbauten zu füllen.

1893 übernahm der Schwabinger Theodor Fischer das Stadterweiterungsbüro. Die alten Pläne widersprachen Fischers Vorstellungen von Städtebau. Er forderte Rücksichtnahme auf die gewachsenen Strukturen des Geländes und eine weniger ornamentale als wirtschaftlich sinnvollere Aufteilung des Baugrunds. So geht die geschwungene Linie der Franz-Joseph-Straße und Elisabethstraße auf ihn zurück.

1894 erfolgte am nördlichen Ende der Friedrichstraße die Grundsteinlegung zu der von August Thiersch entworfenen neuen Pfarrkirche St. Ursula. Dies war das Startsignal zu einer Bebauung der in diesem Bereich ausgewiesenen Grundstücke. Innerhalb von gut zwei Jahrzehnten wurde nun das Gebiet zwischen Adalbert-, Clemens-, Schleißheimer und Leopoldstraße dicht mit Häusern bebaut. Die Parzellen entlang der Franz-Joseph-Straße waren besonders interessant, denn für Durchgangsstraßen war eine dichtere Bebauung erlaubt. So entstanden hier z.B. fünfstöckige Häuserreihen. Dagegen wurden am Habsburgerplatz eher gediegene Wohnhäuser mit Vorgärten und in der Friedrichstraße, vor allem auf Höhe des Leopoldparks, großzügige und luxuriöse Bauten errichtet.

Bauunternehmer und Immobilienspekulant Friedrich Trump ließ entlang der Franz-Joseph-Straße Häuserzeilen mit großbürgerlichen Mietshäusern errichten. Architekt war Max Langheinrich, ein Schüler von Martin Dülfer. Er lieferte Entwürfe zu aufwändigen Prachtfassaden mit phantasievoller Ornamentik aus historischen Stilen und zeitgemäßen Jugendstilformen. Hinter den Fassaden lagen normierte Geschosswohnungen. Der Höhepunkt der Häuserreihe entstand an der Friedrichstraße 18. Dort wurde pro Stockwerk nur eine Wohnung eingeplant, mit jeweils 820 qm Wohnfläche, innen liegenden Diener- und Köchinnenwohnungen sowie separaten Treppenhäusern und Fluren für das Personal.

Schwabing Krankenhaus Für Schwabing prägend waren auch zwei große Bauten am damaligen Rand, die um 1910 fertiggestellt wurden. Das wegweisende Schwabinger Krankenhaus von Richard Schachner und der historisierende, burgähnliche Komplex des Maximilians- und Oskar-von-Miller-Gymnasiums (Altes Realgymnasium, Karl-Theodor-Straße 9) von Karl Hoepfel (Siegfriedstraße13 II). Der Turm des Komplexes ist der höchste Bau in Altschwabing und der erhaltene plastische Figurenschmuck sehr reich.

In den Jahren zwischen der Eingemeindung Schwabings 1890 und dem Beginn des Ersten Weltkriegs, in der Gründerzeit, wurden die westlichen Teile Schwabings bebaut. Zwischen Georgenstraße im Süden, Destouchesstraße im Norden, Leopoldstraße im Osten und Winzererstraße im Westen entstand ein dichtes Mietshausgebiet mit spärlichen Grünanlagen. Die vorher landwirtschaftlich genutzten Flächen wurden von Einzelpersonen und Gesellschaften aufgekauft und eine wilde Bauspekulation setzte ein. Um die Jahrhundertwende entstanden in den Neubauvierteln Schwabings viele Häuser und es gab ein Überangebot an großen Wohnungen. Die Hausbesitzer waren daher froh, wenn die für ihre feuchten Neubauten Mieter fanden und mussten günstige Mietpreise anbieten. So wechselten ärmere Familien, besonders Arbeiter, oft die Wohnung.

In den Straßen des westlichen Schwabings wohnten auf engem Raum verschiedene Gesellschaftsschichten zusammen. Alfred Neumayer beschreibt die Zeit um 1910:

"Was aber den Norden Münchens angeht, so ist dies meine eigentliche Heimatstadt gewesen. Von der Residenz und dem Hofgarten an, von der Briennerstraße nordwärts, kannte ich jede Straße, ja von außen jedes Haus und in vielen Häusern einige der Bewohner. Schulkameraden, Verwandte, Lieferanten und Angestelle waren da zu Hause. Auch hier herrschten die Mietskasernen in allen Preislagen vor und deshalb auch eine gewisse demokratische Mischung, wie sie sich in unseren Schulklassen ausdrückte. Da gab es schäbige Straßen mit zwei und drei Hinterhäusern, die abgewohnt und gleichsam müde aussahen, wie die Amalien- und Schellingstraße, und bei denen es fast unglaubhaft wirkte, daß sie zu solch italienischen Palästen wie die Akademie der Künste oder die Pinakotheken führen sollten. [...] Obwohl ich die Häßlichkeit dieser Straßen deutlich spürte, so war man doch reichlich durch die Vielfalt der Auslagen und ihre so bestimmte Individualität belohnt. Im Grunde waren die 'feinen' Straßen: die Leopoldstraße, die Franz-Joseph- und Elisabethstraße viel weniger interessant, denn dort gab es keine Läden. Die elektrisch zu öffnenden Haustüren schienen stets verschlossen zu sein, und nirgends weitete sich ein Doppeltor für Pferdefuhrwerke und Automobile. Gestürzte Pferde, die Wagendeichsel schrecklich nach aufwärts gerichtet, und die Feuerwehr schienen die Herrschaftsstraßen zu vermeiden."

Nord-Schwabing

Erstes Gebäude in der Nordwestecke Schwabings war das Kanalhäusl an der Brücke der Lerchenauer Straße über den Nymphenburg-Bierdersteiner Kanal. Hier errichtete ein Angehöriger der Milbertshofener Wirtsfamilie Flaucher ein Gasthaus, das heute noch an der Ecke zur Birnauer Straße besteht. Im Bereich der Lerchenauer Straße entstanden um 1900 kleine Mietshäuser für Arbeiter.

Zwischen Luitpoldpark, Kanal und Oberwiesenfeld, entlang von Schleißheimer und Lerchenauer Straße, waren in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts hauptsächlich Felder und Gärtnereien. Eine letzte hat sich hier an der Schleißheimer Straße erhalten. An frühere erinnert die Gartenstraße. Daneben hatten sich kleine Industriebetriebe angesiedelt wie die Lederfabrik von Orth & Sohn in der Sailerstraße 20, die Royal-Seitenwagenfabrik, die hauptsächlich für BMW produzierte. Sie war in der Schleißheimer Straße 205-209 und wurde um 1970 aufgelöst. Der letzte Rest gewerblichen Lebens war lange die „Nordmolkerei“ Deller am Olympiaberg, deren ehemaliges Gelände nun auch mit Wohnungen bebaut ist.

Der Luitpoldpark

Luitpoldpark Der Kommunalreferent der Stadt München schlug 1909 vor, einen „Nordpark“ zu errichten und ihn durch Bürger-Spenden zu finanzieren. Für diesen Zweck machte man ein geeignetes Gebiet im Nordwesten von Schwabing ausfindig. Ein großes Gelände war hier im Besitz der Stadt; Nachbarn mußten dazu Grundstücke abtreten. Die Anlage war durch bereits vorhandene Bebauung eingegrenzt und zog sich von der Clemensstraße nach Norden.

Bereits 1910 wurden die im landschaftlichen Stil eines englischen Parks mit formalen Elementen konzipierten Pläne des Architekten Jakob Heiler genehmigt, und man begann mit der Pflanzung von 90 Goldlinden auf der Luitpoldterrasse. Am 11. März 1911, dem 90. Geburtstag des Prinzregenten Luitpold (+ 12.12.1912) wurde diese Aktion feierlich abgeschlossen. Eine erhöhte Terrasse, ein "Schmuckplatz" und ein Laubengang führten zum Park.

Im Jahr darauf wurde das "Bamberger Haus", benannt nach dem als Vorbild dienenden Baustil der fränkischen Bischofsstadt, mit Garten als Café-Restaurant erbaut, Allee und Grünanlagen bis dorthin vollendet.

Der Erste Weltkrieg mit seiner Not behinderte die Fertigstellung der Anlagen, die Beete wurden für Gemüseanbau genutzt, die Wiesen als Weide. Schon 1919 wurde die Anlage wiederhergestellt, aber nie vollendet. Finanzielle Gründe verhinderten seine Ausdehnung. 1925 entstand in Richtung Clemensstraße der Bayernplatz.

Im Nordosten des Geländes, beim Scheidplatz, wurde 1948 aus den Trümmern der zerstörten Stadt der "Schwabinger Schuttberg" aufgetragen. Mit Dampfzügen wurden auf Feldbahngleisen Mengen an Abraum herangefahren und dann zu einem Hügel geformt. Er ist heute die höchste Erhebung in Schwabing und ermöglicht den Blick über die Stadt. 1958 wurde das Freizeitgelände Luitpoldpark mit den anschließenden Kleingartenanlagen in der Angermayr- und Brunnerstraße fertiggestellt.

Oberwiesenfeld

Die Flur Wiesenfeld zog sich einst vom Stiglmaierplatz bis zum heutigen Olympiagelände. Sie gehörte zu den Gemarkungen von München, Neuhausen, Moosach, Milbertshofen und Schwabing. Der westlichste Zipfel Schwabings reichte bis auf das Exerziergelände Oberwiesenfeld. Dort lagen die meisten Kasernen. Oft zogen die Soldaten des Leibregiments (= "Leiber"), das in der Türkenkaserne stationiert war, durch Schwabing. Besonders interessant war aber, wenn das Schwerereiterregiment mit klingendem Spiel durch die Hohenzollernstraße zog.

An der Schleißheimer Straße 128, etwa gegenüber vom heutigen Karstadt, lag seit 1887 die beliebte Gaststätte Rosenau. Hier ließ Karl Valentin sein "Brilliantfeuerwerk" spielen, weil nach eigener Aussage "an schönen und verliebten Sonn- und Feiertagen in der Rosenau Feuerwerke aufzischten und weil ich als Bua anno 1895 a scho drunt war". Hier trafen sich auch gerne Soldaten mit ihren "Gspusis", bis das Gebäude am Beginn der 20er Jahre abgerissen wurde.

Auf dem Oberwiesenfeld waren 1890 auch die Luftschiffer (Ballonfahrer) stationiert, hier starteten auch Zeppeline. Ab 1912 war hier ein Militärflugplatz, der 1920 zum Verkehrsflughafen für München wurde und erst 1939, nach der Eröffnung der neuerbauten Anlage in Riem, seinen Betrieb einstellte. Auf dem Gelände wurden die Anlagen für die Olympischen Sommerspiele 1972 errichtet. Ein kleiner Teil des Alt-Schwabinger Gemeindegebietes diente also auch den Wettbewerben der Olympischen Spiele (z.B. Marathonlauf).

Quelle dieses Textes: Dr. Reinhard Bauer, „Schwabing. Das Stadtteilbuch“, München 1997. Wir danken dem Autor für die freundliche Genehmigung